DREI FRAGEN AN… Kaspar Pfister, geschäftsführender Gesellschafter der BeneVit Gruppe
Foto: BeneVit Gruppe
1. Herr Pfister, was genau steckt hinter dem Konzept „Stambulant“?
„Stambulant“ verbindet das Beste aus zwei Welten – stationär und ambulant – und steht für ein neues Denken in der Altenpflege. Wir sprechen vom „Mit-Mach-Heim“, weil Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter den Alltag gemeinsam gestalten. Die pflegebedürftigen Menschen von Pflegegrad 1 bis 5 leben in vier überschaubaren Hausgemeinschaften mit jeweils 14 Bewohnern in 14 Einzelzimmern und Rund-um-die-Uhr-Betreuung auch durch Pflegefachkräfte. In jeder Hausgemeinschaft wird täglich frisch gekocht, Kuchen gebacken, Wäsche versorgt, ein normaler Alltag gelebt und natürlich werden alle pflegerischen Leistungen erbracht, die erforderlich sind. Im Wohnzimmer mit Kaminofen trifft man sich zum Plausch, und im Garten werden Hasen versorgt, Äpfel geerntet, das Gemüsebeet bearbeitet und im Holzbackofen eine Pizza gebacken. In der Kombination von Grund- und Wahlleistungen entsteht ein individueller Dienstleistungsmix, der für jeden Bedarf angepasst wird und bei dem sich alle einbringen. Machen die Angehörigen viel, machen wir weniger; machen Angehörige nichts, machen wir alles. So entsteht ein lebendiges, gemeinschaftliches Umfeld, das Sicherheit und Selbstbestimmung vereint – und zugleich kostengünstiger ist als klassische Heime.
2. Welche Erfahrungen wurden bisher mit dem Modellprojekt gemacht?
Nach über neun Jahren Bewährung in der Praxis und mehreren wissenschaftlichen und umfassenden Evaluationen ist klar: Das Modell funktioniert nicht nur, es ist besser als alles, was wir bisher kennen – selbst Krankenhauseinweisungen gehen deutlich zurück.
Bewohnerinnen und Bewohner erleben mehr Lebensqualität. Rund ein Drittel verbessert sich in ihrem Allgemeinzustand so, dass sie entweder im Pflegegrad zurückgestuft werden oder wieder in ihre alte Wohnung zurückziehen. Angehörige sind spürbar entlastet, und Pflegefachkräfte sowie Mitarbeiter berichten von hoher Zufriedenheit. Die AOK Baden-Württemberg spricht von rund 30 % Kosteneinsparung, die Eigenanteile sind bis zu 1.000 € im Monat geringer, und Kommunen sprechen von einem echten Standortvorteil.
Über zehn Städte und Gemeinden in Deutschland sind bereit, neue stambulante Projekte zu starten – doch rund 100 Millionen Euro an Investitionen liegen auf Eis, weil die gesetzliche Grundlage fehlt.
3. Was muss auf Bundesebene geschehen, damit „Stambulant“ flächendeckend umgesetzt werden kann?
Wir brauchen die gesetzliche Anerkennung der stambulanten Pflege als Regelleistung im SGB XI. Nur so kann dieses erfolgreiche Modell bundesweit umgesetzt werden.
Endlich heißt: keine Ausreden mehr! Genau das fordern 34 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister seit Jahren – und jetzt aktuell in der Petition „Stambulant jetzt! Pflege stärken. Menschen helfen.“, die von zahlreichen Verbänden sowie Kranken- und Pflegekassen unterstützt wird und dem Deutschen Bundestag übergeben wird. Ich schließe mich diesem Appell an: Die Menschen brauchen diese Pflegeform jetzt!
Ich erwarte, dass die Politik jetzt im dritten Anlauf ihr Versprechen endlich einlöst und ein Konzept, das im Auftrag der Bundesregierung entwickelt wurde, das kostengünstiger und qualitativ besser ist, das keine Subvention braucht, sondern Geld spart, das von den Kommunen und den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg seit Jahren gefordert wird, endlich erlaubt!